Was bleibt von der PR, wenn Aussagen beliebig wirken und Vertrauen keine Selbstverständlichkeit mehr ist?
In dieser Ausgabe von „PR im Dialog 2025“ teilt Melanie Kamann-Holt, Chief Communications Officer bei Dräger, ihre Gedanken zu Glaubwürdigkeit in Zeiten von KI, dem Sinn von Kommunikation und darüber, was PR künftig wirklich leisten muss.
1. Was war Ihr persönliches PR-Highlight im ersten Halbjahr 2025?
2. Gab es etwas, das Sie in Ihrer Rolle als Kommunikatorin im ersten Halbjahr überrascht oder zum Umdenken gebracht hat?
3. Welche Themen werden Ihrer Einschätzung nach die Kommunikationsarbeit in den nächsten Monaten prägen?
4. Angenommen, Ihr Team hätte ab morgen keinen Zugang mehr zur Meltwater-Plattform. Was würde Ihnen im Arbeitsalltag am meisten fehlen?
1. Was war Ihr persönliches PR-Highlight im ersten Halbjahr 2025?
Ein einzelnes Highlight zu benennen, fällt mir schwer. Denn in diesem Jahr bewegt sich sehr viel in unserem Berufsfeld, nicht nur auf technischer Ebene durch KI, sondern auch in Bezug auf die Rolle und Relevanz von Kommunikation insgesamt. Für mich war es weniger ein bestimmter Moment, sondern vielmehr eine Entwicklung, die zum Nachdenken anregt: Wir erleben zunehmend, dass es scheinbar keine Rolle mehr spielt, ob Aussagen konsistent und glaubwürdig sind.
Gerade im politischen und wirtschaftlichen Umfeld beobachte ich, dass Aussagen oft beliebig wirken. Was gestern galt, interessiert heute kaum noch. Für uns als Kommunikationsprofis stellt sich die Frage: Wenn Authentizität, Stringenz und Vertrauen keine Selbstverständlichkeiten mehr sind, welche Rolle spielt dann PR-Beratung in Zukunft? Ich hoffe natürlich, dass wir weiterhin gebraucht werden, vor allem auch, um diesen Werten wieder mehr Bedeutung zu geben.
2. Gab es etwas, das Sie in Ihrer Rolle als Kommunikatorin im ersten Halbjahr überrascht oder zum Umdenken gebracht hat?
Zum Umdenken bringt mich gerade vieles, vor allem der Einfluss von KI auf unsere Profession. Natürlich eröffnet KI neue Möglichkeiten. Gleichzeitig sehe ich eine Flut an generischen, KI-generierten Pressemitteilungen, die beliebig wirken. Für mich stellt sich deshalb die zentrale Frage: Wie bewahren wir Menschlichkeit, Authentizität und Einzigartigkeit in unserer Kommunikation?
Ein zweiter Aspekt ist der Information Overload. Nur weil es einfacher wird, Inhalte zu produzieren, heißt das nicht, dass wir mehr Inhalte brauchen. Im Gegenteil: Es braucht mehr Fokus auf relevante Botschaften und auf das, was uns als Unternehmen oder Marke wirklich ausmacht.
Hinzu kommt die Frage nach den zukünftigen Skills: Was brauche ich eigentlich morgen für Leute? Früher haben wir sehr viel Wert auf das Talent gelegt, schreiben zu können, Komplexität zu reduzieren und einfach darzustellen. Vielleicht verschiebt sich der Fokus da gerade: weg von der reinen Textproduktion hin zur Bewertung, Einordnung und strategischen Ergänzung.
Und schließlich beschäftigt mich die Frage, wie KI auch unsere Außenwirkung verändert. Wenn KIs auf immer mehr Social Content zugreifen, gestalten wir als Unternehmen unser öffentliches Bild stärker selbst. Das kann Chance und Risiko zugleich sein. Es braucht klare ethische Standards und ein starkes Wertefundament in der PR.
3. Welche Themen werden Ihrer Einschätzung nach die Kommunikationsarbeit in den nächsten Monaten prägen?
Ich wünsche mir, dass unsere Arbeit in Zukunft stärker von der Erkenntnis geprägt wird, dass Menschen unter Informationsüberflutung leiden. Wir dürfen nicht einfach noch mehr Content produzieren, sondern müssen uns fragen: Was ist wirklich relevant? Womit wollen wir wahrgenommen werden?
Ich sage gerne: Wir haben vielleicht drei Schüsse frei. Wenn wir 20 Botschaften senden, wird ohnehin niemand mehr zuhören. Deshalb plädiere ich für Klarheit, Konzentration und Fokus. Leider sehe ich aber die Tendenz, dass KI dazu verleitet, noch mehr Inhalte zu produzieren, anstatt sich auf den tatsächlichen Impact zu konzentrieren. Ich hoffe sehr, dass wir diesen Kurs nicht einschlagen.
4. Angenommen, Ihr Team hätte ab morgen keinen Zugang mehr zur Meltwater-Plattform. Was würde Ihnen im Arbeitsalltag am meisten fehlen?
Definitiv der Überblick. Ich schätze es sehr, dass wir mit Meltwater täglich im Bilde sind, was über uns berichtet wird. Und das nicht nur retrospektiv, sondern auch in Echtzeit. Besonders wichtig ist für uns die Flexibilität: Wenn sich die Themenlage ändert oder ein spezieller Fokus gefragt ist, können wir die Suchparameter anpassen und sofort reagieren. Diese Möglichkeit, das Monitoring tagesaktuell an unsere Bedürfnisse anzupassen, ist für uns ein großer Mehrwert.
Über Melanie Kamann-Holt
Melanie Kamann-Holt ist Chief Communications Officer bei Dräger, einem weltweit führenden Hersteller von Medizin- und Sicherheitstechnik aus Lübeck. Mit ihrem Team ist sie verantwortlich für die weltweite interne und externe Kommunikation, Corporate Identity, Digitales Marketing und Krisenmanagement. Neben dem Tagesgeschäft engagiert sich Melanie Kamann-Holt in verschiedenen Gremien für die Ausbildung von Kommunikationsexpert:innen und Frauen in Führungspositionen.