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Vanity Metrics – oder: wie ihr euren Erfolg auf Social Media nicht mit falschen Zahlen riskiert


Gero Pflüger

Feb 21, 2020

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In unserem gleichnamigen Webinar hat Gero Pflüger über sogenannte Vanity Metrics gesprochen. In diesem Beitrag hat er für uns nochmal die wichtigsten Fragen geklärt.

Wer das Webinar verpasst hat, kann hier die kostenlose Aufzeichnung anfordern.

Was sind Vanity Metrics?

Beginnen wir beim zweiten Teil des Begriffs, den Metriken. Metriken sind zunächst einmal nichts weiter als vollkommen neutrale Messwerte, also eine Zahl mit einer Einheit dran, zum Beispiel vier Stunden, 15 Meter oder auch 85 Kilogramm. Im Social-Media-Bereich finden sich ebenfalls viele Metriken: Follower, Likes, Reichweite, Klicks, Views, Retweets und viele andere mehr. All diese Zahlen lassen sich irgendwo unter den Beiträgen oder in den statistischen Daten ablesen. Nicht jede Social-Media-Plattform stellt dabei die gleichen Metriken zur Verfügung; auf Twitter zum Beispiel gibt es keine Reichweite, sondern nur Impressionen.

Zu Vanity Metrics werden diese Zahlenwerte immer dann, wenn ihnen eine Bedeutung beigemessen wird, die ihnen nicht zusteht. Wenn also behauptet wird, dass ein Influencer reichweitenstark sei, weil er viele Follower habe, dann ist das grober Unfug. (Bereits die Algorithmen der Plattformen verhindern, dass diese Aussage überhaupt stimmen kann.)

Vanity kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Eitelkeit. Der Titel der Zeitschrift Vanity Fair lautet übersetzt Jahrmarkt der Eitelkeiten.

Häufig hat der Begriff aber etwas mit Kosmetik zu tun: Das Vanity Case ist ein Kosmetikkoffer und der Vanity Mirror ein Schminkspiegel. Sogar der Schlumpf aus den Comics, der mit Blume hinter dem Ohr und Handspiegel in der Hand herumläuft, hieß im Englischen ursprünglich mal Vanity Smurf (und jetzt Beauty).

Kosmetik ist eine Art Vortäuschung falscher Tatsachen und lässt viele Menschen einfach besser aussehen als in Natura. Vanity Metrics erfüllen den gleichen Zweck: Auch sie verstellen mit ihrem schönen Schein die Sicht auf die Realität.

Im Falle von Social Media werden Metriken genutzt, um sich selbst – und anderen – Erfolge vorzutäuschen, die gar keine sind. 5.000 Likes, 10.000 Follower, eine Reichweite von 100.000 – für sich betrachtet sind das alles keine Indikatoren für Erfolg. Es fehlt nämlich der Kontext. Was meine ich damit?

Oben habe ich ja schon als Beispiel für eine Metrik das Gewicht genannt. Ich wiege 85 Kilogramm. Was sagt Ihnen das über meinen Fitness-Erfolg? Bin ich fit – oder bin ich fett? Sie wissen es nicht. Ihnen fehlen nämlich wesentliche Informationen zum Rest von mir: Bin ich 1,56 Meter groß? 1,80 Meter? Oder 2,04 Meter? Sofort haben Sie etwas mehr Kontext.

Doch selbst das ist noch nicht genug Information. Treibe ich Sport? Wenn ja, welchen? Bin ich Ironman-Teilnehmer? Gewichtheber? Fußballer? Und überhaupt: Wie alt bin ich? Welches Geschlecht habe ich? Welchen Körperfettanteil und welche unveränderliche Knochenmasse trage ich mit mir herum? Wie lang sind meine Haare und wie viele habe ich davon überhaupt? Sie wissen nicht, ob ich mein Gewicht seit 30 Jahren halte oder binnen sechs Monaten von 97 Kilogramm oder innerhalb von zwei Jahren von 69 Kilo gekommen bin. Ebenso wenig wissen Sie, ob ich auf ärztlichen Rat hin zu- oder abgenommen habe. Außerdem sind Muskeln etwa 15 % schwerer als Fett. Was also interessieren sich die Leute für die Kilogramm-Angabe, wenn es um die Fitness geht?

Das Gewicht ist für sich betrachtet und ohne weitere Informationen, die den Wert in einen Bezugsrahmen, einen Kontext setzt, nur eine Vanity Metric. Genauso verhält sich das mit Social-Media-Metriken.

Am Laptop arbeiten von oben mit Diagrammen ausgedruckt auf Tisch

Wie erkenne ich Vanity Metrics?

Als Erfolgskennzahlen sind Vanity Metrics vollkommen unbrauchbar. Darum lassen sie sich leicht entlarven: Wenn ein Wert oder eine Zahl unglaublich beeindruckend zu sein scheint, ist Alarmstufe Rot angesagt. Stellen Sie sich die folgenden Fragen:

  • Ist der Wert kontrollierbar oder wiederholbar?
  • Liefert der Wert einen Hinweis darauf, ob jemand gute Arbeit macht?
  • Liefert der Wert einen Hinweis darauf, wie die Arbeit optimiert werden kann?
  • Liefert der Wert Hinweise darauf, ob die genutzte Strategie funktioniert?

Wenn mehr als eine dieser Fragen mit nein beantwortet wird, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Vanity Metric.

Metriken werden natürlich benötigt, um echte Kennzahlen zu ermitteln. Um etwa eine Click-Through-Rate (CTR) zu ermitteln, muss ich wissen, wie groß die Reichweite war und wie viele Klicks innerhalb dieser Reichweite zustande gekommen sind. Hier können also zwei Metriken zueinander in Bezug gesetzt werden, heraus kommt eine Kennzahl.

Doch auch diese Kennzahl ist noch mit Vorsicht zu genießen – auch sie muss in einem Bezugsrahmen betrachtet werden, nämlich im Vergleich zu anderen, ähnlichen Beiträgen. Sonst weiß ich nicht, ob eine CTR von 1,5 % ein guter oder ein schlechter Wert ist. Also wird nur aus der Beobachtung einer Reihe aus Vanity-Zahlen eine wirklich valide Information.

Wo soll man denn anfangen, wenn man noch nie ein Social-Media-Reporting erstellt hat und »die richtigen« KPIs verwenden möchte?

In einen Report gehören Metriken überhaupt nicht hinein. Insofern haben Sie auch kein Problem mit Vanity Metrics. Auch normale Kennzahlen haben hier eigentlich nichts verloren und sollten nur in Ausnahmefällen im Bericht stehen. Nur echte Leistungskennzahlen, oder englisch Key Performance Indicators (KPI), sollten Sie in Ihren Reports nutzen.

Ein KPI ist eine Kennzahl, die mit einem Ziel verknüpft ist. Sie benötigen also nicht nur mindestens zwei Metriken in einem Bezugssystem, sondern auch noch ein Ziel.

Nehmen wir an, Sie möchten Menschen mittels eines Facebook-Beitrags auf Ihre Landingpage schicken. Nun ist »Ich möchte, dass möglichst viele Leute auf den Link klicken« kein Ziel, sondern nur ein Wunsch. Ein Ziel haben Sie erst dann, wenn Sie Ihren Wunsch SMART formulieren, also spezifisch, messbar, ambitioniert, realistisch und terminiert.

Schon oben habe ich die Click-Through-Rate (CTR) erwähnt – das ist die Zahl der Klicks auf den Link in Bezug auf die gesamte Reichweite des Beitrags. Dies wäre die richtige Kennzahl für Ihr Ziel, Menschen auf Ihre Landingpage zu leiten. Ihr SMART-Ziel könnte zum Beispiel so lauten:

»Nach einem Zeitraum von 28 Tagen soll die CTR des Beitrags bei 2,0 Prozent liegen.«

Die Kennzahl CTR dieses Beitrags ist somit mit einem Ziel verknüpft, was sie zu einer Leistungskennzahl – einem KPI – macht. Diesen KPI können Sie dann in Ihren Report aufnehmen.

Was sind typische Schwachstellen oder Bottlenecks beim Social-Media-Reporting?

Der häufigste Fall, den ich in meiner Praxis als Berater sehe ist, dass Reports unfassbar vollgestopft werden. Die schiere Menge an Zahlen, Diagrammen und Tabellen erschlägt in aller Regel jeden Betrachter – mich eingeschlossen. Bitte machen Sie das nicht! Typischerweise reichen einige wenige KPI völlig aus, allerdings benötigt häufig jeder Stakeholder, der einen Report erhält, seine eigenen Zahlen. Im Marketing interessieren nun einmal andere Entwicklungen als im Controlling, und im Top-Management sind es wieder andere.

Wie kann ich meinen Chef davon überzeugen, im Reporting nicht mehr nach Vanity Metrics (wie die Steigerung der Anzahl der Follower) zu gehen, wenn das von mir erwartet wird?

Grundsätzlich ist es immer gut, offen mit dem Chef zu sprechen und zu erfragen, wozu konkret er diesen oder jenen Wert benötigt und wenn die Begründung unklar oder schlicht falsch ist, ihm eine bessere Alternative vorzuschlagen.

Bei einem meiner Kunden, der zunächst alles, was das Analysetool ausspucken konnte, haben wollte – immerhin erstreckte sich das dann über mehr als 30 Seiten – habe ich nach drei Monaten eine zweite Version angefertigt, die nur die wirklich relevanten Zahlen enthielt. Die kurze Version – zwei Seiten stark – war mit einem Anschreiben versehen, in dem ich erläuterte, warum ich diese wenigen KPI für relevant hielt und den Rest für überflüssig. Ein Kernargument war: Zeitersparnis.

Manche Chefs allerdings benötigen einen ganz speziellen Report, der nur so vor Eindruck schindenden Vanity Metrics strotzt – denn damit prahlt er dann bei seinen Geschäftsfreunden. Über so einen Gruselreport habe ich tatsächlich schon einmal einen Kunden gewonnen – der Geschäftspartner wollte nämlich wissen, wer ihm solche Steigerungsraten bei den Followern verschafft hätte… ?‍

Woran kann ich mich orientieren, wenn ich nur die vermeintlichen Vanity Metrics der Reichweite und der Follower-Anzahl zur Verfügung habe?

Wenn Ihnen lediglich diese beiden Werte zur Verfügung haben und es Ihnen ganz offensichtlich an Interaktionen und Klicks mangelt, dann scheint Ihr Social-Media-Auftritt fundamental dysfunktional zu sein. Hier wäre es ratsam, Ihre Social-Media-Strategie zu überprüfen – oder überhaupt erst einmal eine zu entwickeln.

Welche Metriken sind auf der Suche nach neuen Influencern besonders relevant und wie kann man diese am besten einsehen?

Mittlerweile werden auch Schauspieler oder Fußballspieler als Influencer bezeichnet – das ist jedoch schlichtweg falsch. Schauspieler und Fußballspieler sind Prominente, also Personen, die aus beruflichen Gründen in der Öffentlichkeit stehen und so ein Werbepotenzial als Testimonial entfalten. Influencer hingegen sind außerhalb ihrer jeweiligen Nische vollkommen unbekannt und sind Privatpersonen, die sich aus ihrer Nischenbekanntheit heraus professionalisiert haben, typischerweise ohne Medienpräsenz erlernt zu haben.

Die Herkunft der Influencer aus dem Privaten hat für eine extrem problematische Fixierung auf Vanity Metrics wie Follower oder Likes gesorgt. Mittlerweile wird auch munter die Reichweite mit der Zahl der Follower gleichgesetzt – sogar von angeblichen Experten aus Marketing- und Werbeagenturen. Auch sind die Interaktionsrate (Zahl der Interaktionen bezogen auf die Reichweite) nicht von der Engagement-Rate (Zahl der individuellen, interagierenden Personen bezogen auf die Reichweite) nicht voneinander zu unterscheiden. Dabei wären diese beiden Werte eigentlich die entscheidenden, wenn es um die Bewertung eines Influencers geht. (Bei YouTube wäre es eher die durchschnittliche Viewzeit.)

Dazu kommt, dass – je nach Studie – zwischen 15 und 40 Prozent aller Instagram-Accounts gefälscht sind, also gar keine echten Follower darstellen. Auch Interaktionen entstehen zu großen Teilen durch Bots und Fake-Accounts. beides – Follower und Interaktionen – lassen sich für wenig Geld im Internet kaufen. (Bitte nicht machen – es ist nicht nur unethisch und dumm, sondern auch noch illegal!) Wer von außen auf die Accounts von Influencern blickt, kann daher zunächst einmal die Qualität eines Influencers nicht abschätzen.

Glücklicherweise gibt es Tools, die wenigstens eine Annäherung schaffen, Meltwater ist eines davon. Diese Tools analysieren die Followerschaft von Influencern und ermitteln alle möglichen Werte, die der Einordnung dienen: Wie stark ist die Echtheit der Follower ausgeprägt? Gibt es Follow-Unfollow-Muster oder starke Anstiege bei den Follows? Wie hoch ist die Interaktionsrate pro Beitrag? Viele weitere Faktoren kommen hier zum Tragen. Welcher Influencer mit welchen Werten nun speziell für Sie infrage kommt, ist natürlich hochgradig individuell.

Diese Fragen wurden beantwortet von:

Gero Pflüger Portrait

Bereits seit 1995 bewegt sich Gero Pflüger im Proto-Social-Web. Aus dessen Newsgroups und Internet-Foren sollten sich im Laufe der Zeit die modernen sozialen Netzwerke entwickeln. 2003 wurde er Nutzer von StayFriends, 2006 trat er Facebook und XING bei. In vielen weiteren Netzwerken ist er ebenfalls und stets unter dem Namen »geropflueger« aktiv.

Seit 2009 bietet Pflüger mit seiner Agentur »pflüger : kreativ ackern.« Content-Marketing- und Social-Media-Leistungen an. So entwickelt er strategische Herangehensweisen, führt Schulungen durch und übernimmt bei Bedarf auch die operative Social-Media-Arbeit.

Sein Kundenkreis umfasst Unternehmen jeder Größe aus ganz Deutschland: vom Ein-Mann-Startup über öffentliche Kulturbetriebe und mittelständische Unternehmen bis hin zu international tätigen Konzernen. Dazu gehören zum Beispiel Abeking & Rasmussen, beckers bester, die Fitness-Ketten BodyStreet und Körperformen, das Niedersächsische Landesmuseum, SAGE, die Postbank Finanzberatung oder die LBS. Im Juli 2020 erscheint sein Buch »Social-Media-Marketing für Dummies« im Verlag Wiley-VCH.

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